Die Haut des Tresens

Wenn Gedanken tanzen Marie Theres Herbst Ina Spang Poesie

erschienen beim Ulli Verlag

Die Haut des Tresens

Stippvisiten am Tresen: 40 Jahre erlebte Kneipenkultur von und mit Herbert Klocke

84-seitiges Paperback-Buch mit Gedichten, Kurzgeschichten und Songs

Text: Herbert Klocke

Illustration & Layout: Ina Spang

ISBN: 978-3-947926-16-9

18,00€


Fliehst du mit mir, wenn meine Gin-Titanic voll läuft?

Verlorene Seelen ertränken ihren Liebeskummer in Wellen aus schummrigem Licht und ewig Reisende machen das Ecklokal zu ihrer Heimstatt, zumindest für Stunden. Der Autor Herbert Klocke zeichnet mit seinem aktuellen Werk "Die Haut des Tresens" ein beachtlich greifbares poetisches Bild der Barkultur. Und zwar so, wie es nur jemand kann, der seit 40 Jahren mittendrin ist. Der versteht, was wirklich dahinter steckt, hinter all der Ödnis und hinter dieser schweren Müdigkeit auf Barhockern. In seinem Werk geht es nicht ums Saufen, es geht um Menschen. Um Liebe, Selbstreflexion und Aufschrei. Um Politik und darum, dass der nächste Morgen immer neu ist. Ob mit oder ohne Kater. Herbert Klocke kann ein Lied davon singen.


EIN INTERVIEW MIT HERBERT KLOCKE

Hallo Herbert. Dein neuer Poesieband ist ja nun endlich da. Die Haut des Tresens klingt sehr geheimnisvoll. Was hat dich denn zu diesem Titel inspiriert?

Ina Spang Illustration
Illustriert sind Herbert Klockes Kneipengeschichten im Buch "Die Haut des Tresens" mit legeren Tuschezeichnungen von Ina Spang.

Klocke: Hallo. Gute Frage. Die Haut ist unser größtes Organ und zusammen mit dem Herzen wahrscheinlich auch unser empfindungsreichstes Organ. So manches Mal, so manche Nacht bin ich, in Gedanken verloren und oft jemand Bestimmten im Kopf-Karussell in rasendem Lauf kreisförmig durch den Kopf jagend, an den Tresen dieser Republik gesessen. In Ermangelung von Zärtlichkeit verblieb dann nur der Tresen, der zur Haut der vermissten Frau mutierte. 

1.     Die Überschrift für die vorliegende Poesie lautet Der Kokon. Was bedeutet das inhaltlich für deine Gedichte? 

Den Begriff Kokon kennt man aus der Biologie. Eng daran geknüpft ist auch der Begriff der Metamorphose. Als echter Melancholiker mit optimistischer Tendenz hab ich mir oft vorgestellt, dass ich zwischen all diesen, in den Kneipen in ihr Glas Starrenden, zum Schmetterling mutiere. Und das ist bedeutungsreich für all die endlosen Aufenthalte in Lokalen und Kneipen. Der Fluchtpunkt, der zum selbst gewählten Knast wird, an dem man dann in anderer Form, plötzlich neu geboren, zu einem bunten Schmetterling wird.


Wo sind all die Verse und Geschichten entstanden? Du hast ja wohl einige Wanderjahre hinter dir? 

Das stimmt. Bevor ich in meinem jetzt schon lange geliebten Münchner Stadtteil Neuhausen angekommen bin, pendelte ich, meistens auf der Flucht vor meinem eigenen Liebeskummer mit der Gitarre, meinen Songs, Gedichten und Geschichten zwischen Ostwestfalen, Berlin und München. Alle drei Orte in all ihrer Unterschiedlichkeit haben meine künstlerische Arbeit in starkem Maße geprägt.

Tiefgehende Lyrik über den Wahnsinn der Wirklichkeit

Ina Spang Illustration
"Du bist ein Sturm der an mir vorbeiweht irgendwo in einem Lokal am Ende der Straße", heißt es in einem von Klockes Gedichten.
Der Autor und Musiker Herbert Klocke lebt und arbeitet im Münchner Stadtteil Neuhausen, genau wie die Illustratorin Ina Spang, die ihn hier skizziert hat.
Der Autor und Musiker Herbert Klocke lebt und arbeitet im Münchner Stadtteil Neuhausen, genau wie die Illustratorin Ina Spang, die ihn hier skizziert hat.

Deine Gedichte haben ja teilweise einen fast schon hymnenartigen Charakter. Welche Situationen standen dafür Pate? 

Es gab manchen Freund in meinem Leben, der jetzt nicht mehr da ist. Aber auch Lokale, die ein wirkliches Zuhause für mich wurden. Sinnbildlich stehen diese Beispiele meiner schriftstellerischen Arbeit für diese Gegangenen und diese Orte.

Der Begriff Stippvisite bedeutet ja eine kurze Momentaufnahme. Wen oder was  hattest  du denn  da literarisch zu Besuch? Was gab Dir den Input zu deinen teilweise amüsanten, dann aber auch wieder dramatischen Kurzgeschichten?

Früher bin ich viel getrampt. Ich glaube insgesamt zweimal um den Planeten. Unterwegs habe ich auch Kneipengeschichten gesammelt. Die habe ich nun in der Begegnung mit meinem lyrischen Ich verfremdet. In einer Geschichte, vielmehr einem Traum, treffe ich sogar mich selbst.

Die beiden Songtexte sind ja von ganz besonderer Couleur. Gab es im Vorhinein die Idee zu einem musikalischen Projekt? Und in welcher Beziehung stehen sie zu dem Thema Kneipengeschichten?


Dahinter steckt tatsächlich ein ganz bestimmtes, angedachtes Projekt. Eine Frau, also eine Sängerin, in verschiedenen visuellen Optionen, trifft die unterschiedlichsten Typen. Irgendwo an irgendwelchen Bars. In diesem Fall einen Spieler, der früher einmal Gitarrist war. Und sie trifft einen Poser, dem sie gesanglich gehörig die Meinung sagt. Weibliche Perspektiven sind für mich immer sehr wichtig.

Ein Poet unterwegs mit Knackis

Herbert, du wechselst zwischen klassischen Reimformen und dann wieder moderner Dichtung. Das unterscheidet dich von anderen. Wieso dieser Wechsel der Formen? 

Poesie gibt es schon seit Jahrhunderten. So finde ich den alten Villon, den Herrn Schiller oder Goethe genauso spannend wie einen Erich Fried. 

Irgendwie kommt in deiner Arbeit rüber, dass es wohl in der Vergangenheit andere romantischere, abenteuerlichere Zeiten in der Gastro gab. Was kannst du uns darüber erzählen? 

Früher, klingt bescheuert, aber damals gab es in den Lokalen noch einen anderen Spirit. Und tatsächlich bin ich mit so mancher Kellnerin, nach manchem Gig um die Häuser gezogen. Damals waren auch die gewerblichen Mieten nicht so brutal hoch. Wir waren alle Teil vom Rock‘n‘Roll. Ich verbrachte, auf der Straße lebend mit ehemaligen Knackis meine Zeit in Lokalen. Leute, die sich oft gegenseitig verprügelten, aber mich, den Poeten und Sänger beschützten. In Haidhausen gab es ein Lokal, da gab es im Wurlitzer die Sex Pistols, aber auch den Donauwalzer. Lesben, Schwule, alte Anhänger von Ludwig dem Zweiten, Freaks, wir alle saßen dort nächtelang. Und es gab mehr zu reden als nur über Kochsendungen und Skianzüge.

Illustration Gasthaus
Die menschlichen Phänomene von Liebe und Angst beobachtet der Autor Herbert Klocke am liebsten im Nachtleben zwischen leeren Gläsern und sehnsuchtsvollen Blicken.

Herbert, zum Schluss noch eine wichtige Frage: Trotz der großen Bandbreite des vorliegenden Werkes spürt man als Leser ganz stark, dass irgendwie alles zusammenhängt. Wie schaffst du das?

Von den Berliner Jahren Anfang bis dann Ende der Achtziger bis zur Coronazeit, bis zur Angst vor dem neuen Krieg in Europa habe ich versucht, alles poetisch darzustellen. Was ich dabei immer wieder versuche, ist das politische Element mit den menschlichen Phänomenen wie Liebe und Angst zu verbinden.


Wir danken dir für diese poetische Reise und deine Ehrlichkeit. 

Ich muss mich bedanken für eure wirklich tollen Fragen.


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